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Kommt wieder eine Ambulanzgebühr?

  • Montag, 5. Juni 2023 @ 21:17
Gesundheit Vor 20 Jahren, am 1.Mai 2003, wurde die Ambulanzgebühr auf Basis von zwei höchstrichterlichen Erkenntnissen aufgehoben. Die Forderung von privaten Zuzahlungen oder Selbstbehalten bei der Inanspruchnahme von Leistungen in Spitalsambulanzen taucht im Zuge der aktuellen Verhandlungen zum Finanzausgleich wieder auf.

Der ZVPÖ lehnt diesen Griff ins private Börsel kategorisch ab, denn es darf nicht sein, dass jetzt 20 Jahre später wieder in Wildwest-Manier aus der Hüfte auf erkrankte Menschen geschossen wird.

Die Menschen wollen ihren Bedarf zu Recht an medizinischer und psychosozialer Grundversorgung gesichert und wohnortnah decken können. Wenn aber keine verlässliche und niederschwellige Leistungsangebote in ihrem nahen Umfeld gemacht werden können, darf sich niemand wirklich wundern, dass PatientInnen dorthin wandern, wo die Strukturen in den vergangenen Jahrzehnten etabliert worden sind. Und das sind immer häufiger die Spitalsambulanzen.

Die maßgeblichen Gründe dafür sind:

1. Missverhältnis zwischen Bevölkerungswachstum und Kassenvertragsverhältnissen.
2. Unzureichende Öffnungszeiten auf Basis der Gesamtverträge zwischen Kassen- und den VertragsärztInnen.
3. Modernisierungs- und Investitionsstau bei der Ausstattung im kassenärztlichen niedergelassenen Bereich und stark steigendes Wahlarztangebot mit moderner Ausstattung und individuellerem Behandlungsangebot.
4. Kostendruck auf die Menschen durch Teuerung und privat zu zahlende Honorarforderungen der Privat(Wahl-)ÄrztInnen.
5. Relativer Personalmangel durch die Konkurrenz unter ausgebildeten ÄrztInnen (Kassen/Spitäler/Verwaltung/Kur und Reha/Arbeitsmedizin etc.) und Abwanderung von in Österreich Ausgebildeten ins Ausland.

Dass nun der Ärztekammervertreter der angestellten ÄrztInnen auf die hohe Arbeitsverdichtung im Ambulanzbereich hinweist ist durchaus nachvollziehbar.

Nicht nachvollziehbar allerdings ist, dass dem Ärztekämmerer aktuell nichts besseres einfällt, als eine Bezahlschranke für die Hilfesuchenden zu fordern. Das hat mit dem Selbstanspruch der österreichischen Ärztekammer, nämlich „Anwältin der PatientInnen“ sein zu wollen, nun wirklich nichts mehr zu tun.

Ein erheblicher Anteil der anfallenden Kosten im Bereich der Spitalsambulanzen muss letztlich als Betriebsabgangsdeckung von den Ländern sonderfinanziert werden und das engt die finanzielle Beweglichkeit der Länder erheblich ein. Insofern sind die Finanzausgleichsverhandlungen durch erhöhte finanzielle Begehrlichkeiten der Landeschefs belastet.

Inzwischen versuchen die Verantwortlichen für die Finanzen der Länder – wohl aus Verzweiflung – die „Spitalsrouten“ zu sperren und stellen - wie aktuell im Burgenland - (Not-)Container vor die Spitalstore, um die Kosten, die durch Kontakt zu Spitalsambulanzen für sie anfallen, zu reduzieren.

Über die Qualität dieses „Ersatzprogrammes“ für die Menschen gibt es keine verantwortungsvolle öffentliche Debatte. Einzig was zählt ist die „Rückführung“ der PatientInnen in den zu fast 100 % von den Krankenkassen allein finanzierten Versorgungsbereich.

Die Vertreter der Krankenkassen wiederum verweisen auf enorme Kostensteigerungen, die mit der Etablierung von Primärversorgungsangeboten außerhalb der Spitäler verbunden sind und mahnen zu Recht ein, dass sich hier der Bund deutlich bewegen muss, was die Aufbringung der Mittel betrifft.

Erst, wenn eine geeignete Infrastruktur, die passende Geräteausstattung und genügend qualifiziertes Personal außerhalb der Spitäler ansprechbar zur Verfügung steht wird der bislang fehlgeleitete Migrationsstrom in die Spitalsambulanzen versiegen.

Der ZVPÖ wird sehr genau beobachten, wie weit bei den laufenden Finanzverhandlungen eine menschengerechte Lösung der brennenden Strukturprobleme in der Primärversorgung Berücksichtigung findet.