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Masterplan Pflege – es darf weiter gewartet werden

  • Sonntag, 8. Dezember 2019 @ 23:16
Ein Jahr nach der Präsentation des „Masterplan Pflege“ im Dezember 2018 liegen nun 2 Studien vor, die Grundlagen für die weitere Konzeption der Neuorganisation des Pflegewesens in Österreich liefern. Rechtzeitig zu den laufenden Regierungsverhandlungen! Man darf gespannt sein, welchen
Stellenwert die Pflege dabei innehaben wird.



Pflegepersonal-Bedarfsprognose für Österreich

Die Gesundheit Österreich GmbH ermittelt in Ihrer Studie einen Bedarf an 75.700 zusätzlichen professionellen Pflegekräften bis 2030. Dabei wurde die demographische Entwicklung, Annahmen zum Ausbau von Pflege und Betreuung zu Hause und die Altersstruktur der derzeit gemeldeten PflegearbeiterInnen im Bereich der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe inklusive Sozialbetreuungsberufe mit Pflegekompetenz und der Heimhilfen zu Grunde gelegt. Pflege- und Betreuungskräfte in der Betreuung von Menschen mit Behinderungen, in der Forschung, in der Verwaltung oder auch als selbständige Pflegekräfte sind in der vorläufigen Studie nicht enthalten.

Die Drop-Out Quoten bei den Pflegeberufen sind in diese Berechnungen ebenso noch nicht einbezogen worden. Derzeit sind diesbezüglich noch keine verlässlichen Daten aus dem Pflegeberufe-Register ableitbar, welches seit 1.1. 2019 eingerichtet ist. Diesbezüglich sind erst in fünf Jahren harte Fakten realistisch zu erwarten, weil die Registrierung von bereits aus dem Beruf ausgestiegenen Pflegekräften nur auf freiwilliger Basis im Register erfolgen kann. Man darf aber annehmen, dass die Realität des Drop-Out den Gesamtbedarf noch weiter erhöhen wird und damit auch die Kosten, welche für die Ausbildung der zusätzlichen Pflegekräfte anfallen werden.

Und genau hier liegt eine der Schnittstellen zur zweiten aktuell publizierten Studie des IHS, die sich mit den ökonomischen Aspekten der Pflegefinanzierung beschäftigt. Es wurde ein Ländervergleich bezüglich der verschiedenen Finanzierungsmodelle in 6 europäischen Ländern angestellt und die Bedeutung verschiedener Präventionsstrategien dargelegt.

IHS – Studie – Konkrete Kostensteigerungsprognosen fehlen noch

In der bisher publizierten Kurzfassung der rezenten IHS Studie wurden abgesehen von den Pflegeausgaben, gemessen in Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) aus 2016 keine weiteren detaillierten Angaben zu den bereits erfolgten und zu prognostizierten Kostensteigerungen in den Bereichen Geld- und Sachleistungen für Pflege in Österreich gemacht. Ebenso finden sich in der Arbeit bedauerlicherweise keinerlei Angaben zu den zu erwartenden Kostensteigerungen, die für die Ausbildung der zusätzlichen 75.000 Pflegekräfte anfallen werden.

Allerdings beschreibt die IHS Studie eindeutig die bisherige Sonderstellung Österreichs beim Vergleich der Finanzierungsmodelle und betont, „dass die Finanzierung ohne Einbindung der Sozialversicherung bei einem kontinentalen Wohlfahrtsstaatsmodell im Ländervergleich unüblich ist.“ In anderen europäischen Ländern, die in der IHS Studie beleuchtet wurden, ist nämlich die Finanzierung der Pflege unter Einbezug der Sozialversicherung durchaus geübte Praxis.

Im vergangenen Wahlkampf hat die türkise ÖVP mehrmals ihre Präferenz für die Einbeziehung der Sozialversicherung in die Pflegefinanzierung geäußert. Wir erinnern uns: Kurzzeitig wurde sogar die wirtschafts-dominierte Unfallversicherung dafür auserkoren die Agenden einer „Pflegeversicherung“ zu übernehmen. Dazu halten die StudienautorInnen des IHS folgende zwei Punkte fest: „Zum einen müsste gesetzlich verankert werden, welche konkreten Leistungen in die Zuständigkeit der Sozialversicherung übertragen werden, vor allem mit dem Hintergrund, dass derzeit die Kompetenz für Geldleistungen beim Bund liegt, jene für Sachleistungen bei den Ländern. Zum anderen sollte sich, mit Rücksicht auf Arbeitsmarkteffekte, die Beitragsbasis für die Sozialversicherungsbeiträge an europäischen Vorbildern orientieren und dabei neben dem Arbeitseinkommen auch andere Einkommensarten einbeziehen (z.B. Kapitalerträge, Transfereinkommen).“ Somit empfiehlt hier das IHS eindeutig eine Verbreiterung der Beitragslogik über das derzeit lohnsummenbasierte System hinaus. Im Übrigen übernimmt hier das IHS aus versicherungsmathematischen und volkswirtschaftlichen Erwägungen eine jahrzehntelange Forderung des ZVPÖ, der allerdings ein Pflegeversicherungsmodell wie in Deutschland dezidiert ablehnt.

Erfreulich ist auch, dass das IHS darauf hinweist, dass der Finanzausgleich (mit den Ländern) derzeit die demographische Struktur, sozioökonomische Merkmale und die Morbidität nicht ausreichend berücksichtigt und österreichweit einheitliche Zielsetzungen für einen zukünftigen ausdifferenzierten Finanzausgleich einmahnt.

Ausbildung – das Gebot der Stunde

Damit wären wir wieder bei der Frage der Finanzierung der Ausbildung der zusätzlich benötigten Pflegekräfte angelangt. Der ZVPÖ fordert die Schaffung eines Ausbildung-Fonds für Pflegekräfte. Warum nicht diese Forderung in die bereits eingerichteten Bestimmungen des Pflegefondgesetzes einbinden?
Die Finanzierung der Ausbildung ist in Österreich Ländersache und somit uneinheitlich geregelt. Ausbildungsagenden sind derzeit aber nicht in den Zielbestimmungen des § 1 Pflegefondgesetz enthalten. Die Einbeziehung der Ausbildungsagenden in die Zielbestimmung des Pflegefondgesetzes würde allerdings eine Novelle erfordern. Diese Novelle würde aber erstens die Länder zur Ausbildung der notwendigen Pflegekräfte verpflichten und zweitens über den 2021 neu zu verhandelnden – wie das IHS einmahnt – ausdifferenzierten Finanzausgleich die notwendigen Gelder dafür auf die Länder auch ausdifferenziert verteilen. Die enormen finanziellen Herausforderungen bezüglich der Ausbildung der dringend benötigten professionellen Pflegekräfte würden so für die kommenden Jahre auf eine rechtliche Grundlage gestellt werden.

Sowohl von der Gesundheit Österreich GmbH. als auch von Seiten des IHS wird angekündigt, dass die vollständigen Studienergebnisse in den kommenden Wochen publiziert werden. Der ZVPÖ wird die Regierungsverhandlungen in diesem Bereich genau verfolgen.


Dr. Rudi Gabriel
ZVPÖ - Gesundheitspolitik