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Pflegereform – die Unvollendete!

  • Montag, 9. November 2020 @ 20:23
Der Sozialminister spricht von einem Bedarf von 100.000 ArbeiterInnen, die in den nächsten zehn Jahren neu im Pflegebereich benötigt werden. Ausbildung, Weiterbildung und Umschulung – eine Ausbildungsoffensive, wie sie vom ZVPÖ seit Jahren dringend eingefordert wird – wird enorme Kosten verursachen. Das WIFO blickt daher über die Grenzen: „Ohne Migration wird es bei der Deckung des Pflegebedarfs in Zukunft sicher nicht gehen“, sagt Dr.in Ulrike Famira-Mühlberger vom Wirtschaftsforschungsinstitut.

Spätestens seit der 2019 publizierten Studie zum Pflegekräftebedarf und zur Vereinbarkeit von Beruf und Pflege bei NutzerInnen der Pflegekarenz im Auftrag des Sozialministeriums ist den Verantwortlichen klar geworden, dass die demographischen Herausforderungen diesen gewaltigen Pflegekräftebedarf auf allen Ebenen verursachen.

Ausbildungsfonds für Pflegeberufe: Es geht um 10 Mrd. Euro

Der ZVPÖ hat sich immer für die öffentliche Finanzierung von professioneller Ausbildung im Pflegebereich eingesetzt und fordert mit Nachdruck die Einrichtung eines Ausbildungsfonds des Bundes, der die kostenfreie Aus- und Weiterbildung bzw. Umschulung garantiert, Stipendien und Studiengebühren finanziert. Es seien hier die relevanten Berufstypen und der vorgesehene Ausbildungsaufwand in Stunden aufgeführt: Fachsozialbetreuerin – 1.200 h, Diplom-Sozialbetreuerin – 1.800 h, Pflegeassistenzberuf – 1.600 h, Pflegefachassistenz – 3.200 h, gehobene Gesundheits- und Krankenpflege – 4.600 h.

Eine einfach gehaltene Rechnung mit durchschnittlichen Annahmen demonstriert grob den Finanzaufwand: 2.000 Ausbildungsstunden à 50 € Ausbildungskosten (Lehrpersonal, Infrastruktur und Lernunterlagen) x 100.000 auszubildende Menschen ergäben einen Ausbildungsaufwand von 10 Mrd. Euro für die nächsten 10 Jahre.

Zur Gegenüberstellung erwähne ich die Geld-Forderungen, die die ÖVP Verteidigungsministerin bei ihrem Amtsantritt im Jänner 2020 für die „Instandhaltung“ des Österreichischen Bundesheeres eingemahnt hat: 16 Mrd. Euro in den kommenden 5 Jahren.

Keine Schmalspurausbildung!

Bei diesen Summen wird verständlich, dass es Bestrebungen gibt, die erforderlichen Kosten möglichst niedrig zu halten. Die von der ÖVP geforderte Pflegelehre dient einzig dem Einsparen von Ausbildungskosten. Sie wollen den Nachschub sichern für die niedrige und minderbezahlte Stufe der Pflegeassistenz. Die Durchlässigkeit nach oben – die Karriereleiter – ist bis dato überhaupt nicht geklärt. Es soll hier ein billiges Pflegeproletariat aufgebaut werden. Dabei wird aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Denn junge Leute sind nicht dumm. Die Zusage einer öffentlich bezahlten Ausbildung, eine ansprechende Bezahlung der geleisteten Arbeit auch in den niedrigeren Ausbildungsstufen und die Perspektive in Richtung Weiterbildung und Aufstiegsmöglichkeiten werden entscheidend dafür sein, ob sich jemand für diese Berufsfelder entscheiden wird.

A prospos Pflegeproletariat – Das Institut WIFO schaut über die Grenzen – Aktienfondfinanzierte Betreiber von Pflegeeinrichtungen ebenso

Alfred Riedl , VP-Bürgermeister von Grafenwörth und Präsident des österreichischen Gemeindebundes kooperiert mit der privaten Pflegeorganisation „Senecura“. Im Jänner dieses Jahres wurde öffentlich gemacht, dass die Senecura in Grafenwörth ein 24 Millionen Euro Projekt realisieren will. Im „SeneCura Campus Lakeside“ soll eine Akademie für Pflegeberufe realisiert werden.

Die SeneCura Gruppe, die offenbar in Österreich zu wenige Pflege-Arbeiterinnen findet, die bereit sind zu den angebotenen Konditionen zu arbeiten, ist im Gespräch mit der Präsidentin von Amoroc (Austrian Moroccan Chamber) und dem Bürgermeister von Rabat, Marokko. Die Zusammenarbeit soll die Job- und Ausbildungschancen junger, arbeitsloser Menschen in Marokko fördern – denn die Jugendarbeitslosigkeit in Marokko ist extrem hoch. Den Grundstein der Ausbildung wird mit einem facheinschlägigen Studium an den Fachhochschulen in Marokkos Hauptstadt Rabat und aufbauenden Deutschkursen gelegt. ​

In modernen Zeiten wird sowas eine Win-Win-Situation genannt. Nach dem Aufbau einer Krankenpflegeschule mit 125 Ausbildungsplätzen in Zusammenarbeit mit örtlichen Krankenhäusern soll der Campus um zwei Bachelor-Universitätsstudiengänge mit 180 Studienplätzen erweitert werden. Darüber, wo die ArbeiterInnen aus Marokko hier in Österreich wohnen werden, zu welchen Kosten SeneCura oder die Gemeinde Grafenwörth Wohnungen anbieten wird und, ob diese ArbeiterInnen zu welchen Kompensationskosten für die Ausbildung in Grafenwörth wieder heimkehren dürfen, wenn sie vielleicht in Rabat weiter arbeiten wollen, wurde bisher noch nichtberichtet.